Montag, 10. November 2025
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„Da sein, wenn es darauf ankommt“

Welthospiztag am 11. Oktober / Ehrenamtliche Begleiterinnen berichten / Kommentar

Welthospiztag ist am Samstag, 11. Oktober. Zeit, Zuwendung und ein Lächeln: Ehrenamtliche HospizbegleiterInnen der Martin Luther Stiftung Hanau berichten von ihren Begegnungen mit Sterbenden und Angehörigen

„Das war eine herzerfrischende Angelegenheit“, sagt Waltraud Goy. Die 76-jährige Rentnerin aus Bruchköbel lächelt, wenn sie an ihren Einstieg in die Hospizarbeit zurückdenkt. Seit 17 Jahren engagiert sie sich im ambulanten Hospizteam der Martin Luther Stiftung Hanau. Ihre erste Begleitung galt einer ehemaligen Kinderärztin mit fortgeschrittener Demenz. „Ihr Humor war aber geblieben. Wir haben viel gelacht. Sie hat mich immer strahlend empfangen, wenn ich sie zu Hause besuchte. Der Schalk saß ihr bis zuletzt im Nacken.“

Goy hält inne. „Sie hat mir den Einstieg leicht gemacht“, sagt sie. „Alles, was ich in der Schulung zur Sterbebegleiterin gelernt hatte, konnte ich bei ihr anwenden.“

Hospizbegleiter Rainer Weitzel und Koordinatorin Yasemin Grasmück von der Martin Luther Stiftung Hanau. Bild: privat (Martin Luther Stiftung Hanau)

Kurs „Sterbebegleitung“ als Grundlage

Wie Waltraud Goy engagieren sich viele Tausend Menschen bundesweit in ambulanten Hospizdiensten. Der Welthospiztag, der am 11. Oktober unter dem Motto „Hospiz – Heimat für alle“ stattfindet, lenkt den Blick auf die Unterstützung, die schwerkranke Menschen und deren Angehörige in der letzten Lebensphase erhalten können – zu Hause, im Pflegeheim oder im Krankenhaus. „Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass es einen Vorbereitungskurs für Ehrenamtliche gibt – und mich sofort angemeldet“, erzählt Goy.

„Wir geben unseren Ehrenamtlichen das nötige Rüstzeug, um Sterbende sicher und einfühlsam zu begleiten“, erklärt Yasemin Grasmück, Koordinatorin im ambulanten Hospizdienst der Martin Luther Stiftung. Ein Vorbereitungskurs vermittelt ethische, rechtliche und medizinische Grundlagen. Hinzu kommen ein Pflegepraktikum sowie ein Begleitpraktikum. Wer möchte, kann sich jetzt schon auf die Warteliste für den nächsten Kurs setzen lassen. „Neue Freiwillige sind herzlich willkommen“, so Grasmück.

Gemeinsam ein Stück Schokolade genießen

„Jeder Mensch geht anders aus dem Leben“, berichtet auch Rainer Weitzel. Der 63-Jährige aus Gelnhausen begleitet seit sechs Jahren Sterbende. „Für mich kann das bedeuten, am Bett der schlafenden Person zu wachen und in Stille zu verharren. Oder einfach nur die Hand zu halten, wenn es gewünscht wird, das Gefühl des Alleinseins zu lindern und dem Menschen Ruhe und Sicherheit zu vermitteln.“ Ebenso könne es aber auch darum gehen, kleine persönliche Wünsche zu erfüllen, so Weitzel. Als Beispiele nennt er: Musik hören, vorlesen, gemeinsam beten oder ein Stück Schokolade genießen, miteinander zu sprechen oder zusammen zu schweigen.

„Das Schönste ist, wenn Menschen in Frieden gehen können“

„Das Schönste ist, wenn Menschen in Frieden gehen können“, sagt Goy. Als junge Frau hatte sie im Krankenhaus erlebt, wie Sterbende ins Bad geschoben und allein gelassen wurden. „Das muss anders gehen“, dachte sie. Jahre später fand sie ihren Weg in die Hospizarbeit. Ihr Leitsatz: „Keiner soll allein sterben müssen.“

Weitzel ergänzt: „Es kommt vor, dass Sterbende, die ihren Frieden gefunden haben, lächeln und noch einmal nach meiner Hand greifen. Das macht mich froh. Es ist, als ob der Sterbende mir ein Dankeschön schenkt.“

Enkelkinder trauern anders

Dankbarkeit erleben Goy und Weitzel häufig auch von den Angehörigen. „Wer selbst Scheu vor dem Tod empfindet, ist froh, wenn ein Sterbebegleiter ihn tröstet, ermutigt und ehrlich mit ihm spricht. Dadurch werden die Angehörigen mit ihren Sorgen nicht allein gelassen“, so Weitzel.

Marianne Kuhnert, 90, erinnert sich an die Begleitung ihres verstorbenen Mannes im Hanauer Wichernhaus: „Man kommt sich so hilf- und nutzlos vor in so einer Situation und das hat Frau Goy mir genommen. Die Begleitung hat mir sehr viel bedeutet.“ Sie wünscht sich, dass „der ambulante Hospizdienst bekannter wird und die Leute erfahren, wie wichtig und hilfreich das sein kann.“

Goy lenkt den Blick auch auf die Kinder- und Enkelgeneration. „Die Tochter von Frau Kuhnert wohnt weit weg. Später sagte sie mir, wie froh sie war, dass ihre Mutter nicht allein war, als ihr Vater starb.“ Sie betont, wie wichtig es für das Weiterleben der Angehörigen ist, wenn sie gut Abschied nehmen können. Goy ist aufgefallen, dass Enkelkinder anders trauern als Kinder. „Kinder regeln oft zuerst Organisatorisches. Enkelkinder sind näher am Gefühl.“

Gut begleitet in der Begleitung

Für eine anfängliche Scheu, die manche Angehörigen eines Sterbenden packt, äußert Waltraud Goy viel Verständnis: „Wir Ehrenamtlichen haben das Privileg der Neutralität“, sagt Goy. „Wir lernen den Menschen erst am Lebensende kennen – unbelastet von familiären Geschichten.“ Das ermögliche einen offenen Blick auf das Hier und Jetzt.

Sowohl Goy als auch Weitzel berichten von schweren und leichten Momenten in der Sterbebegleitung. Weitzel sagt: „Das Ende unseres Daseins, unseres Lebens wird mir jedes Mal vor Augen geführt. Allerdings beunruhigt mich das nicht. Hier hilft mir mein Glaube an Jesus Christus.“ Auch Goy schöpft Kraft aus ihrem christlichen Glauben. Beide wissen aber: Wer andere begleitet, braucht selbst Halt. Deshalb bietet der Hospizdienst der Martin Luther Stiftung Hanau seinen Ehrenamtlichen regelmäßige Supervisionen und persönliche Gespräche an. „Wir unterstützen uns auch untereinander“, sagt Goy. Sie zieht ein positives Fazit: „Ich fühle mich begleitet in meiner Begleitung.“

Info: Vorbereitungskurs

Der ambulante Hospizdienst der Martin Luther Stiftung Hanau bietet 2026 einen neuen Kurs für Menschen an, die sich ehrenamtlich in der Sterbebegleitung engagieren möchten. Die Schulung umfasst rund 100 Stunden und beinhaltet u. a. Einheiten zu Kommunikation, Trauer, Ethik, Pflegepraxis und rechtlichen Fragen. Hinzu kommen ein Pflegepraktikum sowie ein begleiteter Einsatz in der Praxis. Interessierte können sich unter hospizdienst@vmls.de oder 06181 29021320 anmelden.

Über den ambulanten Hospizdienst der Martin Luther Stiftung Hanau

Der ambulante Hospizdienst der Martin Luther Stiftung Hanau begleitet seit 2006 schwerkranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige im Main-Kinzig-Kreis. Die Begleitungen finden zu Hause, in Pflegeeinrichtungen oder im Krankenhaus statt – individuell, kostenfrei und auf Wunsch der Betroffenen. 2024 wurden an den Standorten Hanau und Gelnhausen/Schlüchtern rund 50 Menschen durch ein hauptamtliches Team und etwa 30 ehrenamtlich Engagierte begleitet.

Ein zentraler Bestandteil der Arbeit ist die enge Zusammenarbeit mit der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Diese Teams bestehen aus Ärztinnen, Pflegekräften, Sozialarbeiterinnen und weiteren Fachkräften und sichern die medizinisch-pflegerische Versorgung schwerkranker Menschen im häuslichen Umfeld. Der Hospizdienst ergänzt dieses Angebot durch psychosoziale und seelsorgliche Begleitung. Gemeinsam entsteht so ein umfassendes Unterstützungsnetz.

Über die Martin Luther Stiftung Hanau

Die Martin Luther Stiftung Hanau ist ein diakonischer Träger der Altenhilfe mit Hauptsitz in Hanau und weiteren Häusern Erlensee, Gelnhausen, Schöneck, Schlüchtern und Bad Salzschlirf. Rund 900 Mitarbeitende betreuen etwa 1.300 ältere Menschen – von der ambulanten Pflege über Tages- und Kurzzeitpflege bis zur stationären Betreuung und spezialisierten Demenzpflege. Das Angebot umfasst zudem Betreutes Wohnen und weitere Wohnangebote.

Die 1880 gegründete Stiftung steht für menschliche und nachhaltige Altenhilfe auf Basis christlicher Werte. Mit ihrer 1968 etablierten Pflegeakademie – der zweitältesten Pflegeschule Hessens – bildet sie künftige Pflegekräfte aus. Luthers Gastronomie versorgt die Einrichtungen, betreibt Bistros und beliefert Kitas sowie Schulen.Weitere Informationen: www.vmls.de

Kein Blatt vor den Mund nehmen und mit meinen Augen gesehen. Bild: Archiv

Mit meinen Augen gesehen

Gerade bei Themen wie diesem, fällt es schwer loszulassen.

Alle Themen rund um „Leben, Trauer und Tod“ waren dem Regionalportal ’s Blättsche von Beginn an wichtiger. Wichtiger als die üblichen Schlagzeilen von Unfällen, Bränden und Krieg, die offenkundig immer noch mehr Leser anlocken als menschliche Themen.

Natürlich stiegen die Klickzahlen, wenn wieder einmal von einem heftigen Unfall, von einem Großbrand, von einer Streiterei in der Stadt berichtet wurde. Dann wurden auch die Hobby-Journalisten auf Facebook wieder aktiv und konnten sicher sein, dass genügend Unsinniges kommentiert wird, möglichst noch anonym. Recherche blieb Mangelware. Und noch heute finden sich so manche „ungeklärte“ Aussagen im Netz. Egal, lassen wir ihnen den Spaß.

Ernst wird’s, wenn der Tod nahesteht, wenn es um grundlegende Themen wie Leben, Trauer und Tod geht. Dann wird’s wirklich ernst, wenngleich der eine oder andere bereits bei der Überschrift weiterklickt.

Und dann wird auch klar, dass die Klickzahlen oft nicht die Erwartungen erfüllen. Der Redaktion des Regionalportals war’s egal, die menschlichen Themen nehmen immer einen breiten Raum ein in unserer Berichterstattung. Und wir wissen aus den ersten Rückmeldungen, dass viele Leser es schon jetzt bedauern, dass wir zum 31. Oktober 2025 unsere Seite einstellen.

Und wir dürfen nur unsere Hoffnung leben lassen, dass „mit dem Tod nicht alles vorbei ist“, dass so mancher sich (noch rechtzeitig) besinnt auf das, was wichtig ist im Leben (bis zum Tod). (beko)

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1 Kommentar

  1. Hallo Herr Koch,

    vielen Dank für diesen Bericht.
    Ich finde es sehr gut, daß über diese wichtige Arbeit von Ehrenamtlichen auch mal außerhalb der üblichen Zeitungsnachrichten etwas geschrieben wird, zumal ich die darin angesprochene Frau Kuhnert und deren Sorgen auch kenne.
    Ich erinnere mich noch sehr gut an ihren Mann, er saß bis kurz vor seinem Tod im Pflegeheim täglich am Tisch meinem Mann gegenüber, und wir Frauen haben uns manches Mal bei unseren täglichen Besuchen im Pflegeheim des Martin-Luther-Stiftes über die notwendige Hilfe für Demenzkranke unterhalten.
    Frau Kuhnert wollte auch nach dem Tod ihres Mannes lieber weiter im Martin-Luther-Stift bleiben und hat jetzt wohl mit dortiger weiterer ehrenamtlicher Arbeit den richtigen Weg für sich gefunden.
    Für Schwerkranke auch im letzten Lebensabschnitt da zu sein, ist – leider auch für Angehörige – nicht mehr immer selbstverständlich und umso mehr verdient ein solcher ehrenamtlicher Einsatz die größte Hochachtung.
    Es wäre schön, wenn sich aufgrund Ihres diesbezüglichen Berichts vielleicht auch neue Helfer für eine solche ehrenamtliche Arbeit finden ließen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Brigitte Jung

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