Sonntag, 28. April 2024
's BlättscheGeschichteEin verhängnisvoller Beschluss von 1947

Ein verhängnisvoller Beschluss von 1947

Widerstand vor Klein-Auheims Eingemeindung / Teil 1

50 Jahre sind vergangen: In drei zusammenfassenden Artikeln berichtet Detlef Hellmann, Museumsleiter im Heimat- und Geschichtsverein (HGV) Klein-Auheim und ehemaliger evangelischer Pfarrer des Stadtteils über den Widerstand von Klein-Auheim gegen die Eingemeindung nach Hanau vor genau 50 Jahren. Die Hauptproteste gab es im November 1973. Hellmann befragte drei Zeitzeugen nach ihren persönlichen Erinnerungen.

20 Jahre lang geschah nichts

Bis 1973 eigenständige Gemeinde, dann “von Hanau geschluckt”: Klein-Auheim im Panorama-Bild von 1970. Bild: privat (Heimat- und Geschichtsverein)

“Es begann schon 1947, das Problem mit der Eingemeindung von Klein-Auheim nach Hanau. Damals wurde von der Hessischen Staatskanzlei eine Kommission eingesetzt, die überprüfen sollte, wie man die über 2.600 teils sehr kleinen Kommunen zu größeren Einheiten zusammenlegen könnte. Man erhoffte sich dadurch eine sinnvollere Verteilung der finanziellen Mittel und einen Abbau von vielen Verwaltungsstrukturen. Irgendwie hatte da aber keiner richtig Lust zu und so kam es, dass in den nächsten zwanzig Jahren nichts geschah.

Ab 1968 wurden die Probleme der kleinen Gemeinden aber immer größer, sodass die Regierung jetzt auf freiwillige Zusammenschlüsse hoffte und dazu auch kräftig in die Kasse griff, um die Attraktivität zu steigern. So halbierte sich innerhalb von zwei Jahres die Gemeindezahlen in Hessen, was damit das Bundesland mit der größten Zahl an freiwilligen Zusammenschlüssen wurde.

Die restlichen Gemeinden mussten jetzt mit erhöhtem Druck zum Zusammenschluss gedrängt werden. Dazu gehörten zwei von unbeugsamen linksmainischen Hessen bevölkerte Dörfer.

Barrieren in den Köpfen: “Mit denen nie!”

Die Steinheimer und Klein-Auheimer sollten nach dem Vorschlag der Obrigkeit fusionieren.

Nach allem, was man so von Zeitzeugen hört, scheiterte das an den Barrieren in den Köpfen: „Mit denen nie!“

Daraufhin beschloss der zuständige Ausschuss des Hessischen Landtages: Steinheim und Klein-Auheim werden von Hanau geschluckt.

In Klein-Auheim gab es zwei unterschiedliche Reaktionen. Die Mehrheitsfraktion im Gemeinderat (SPD) beschloss am 30. Oktober 1973, mit Hanau über einen freiwilligen Zusammenschluss zu verhandeln, um möglichst viele günstige Bedingungen für den Ort zu erhalten (Hallenbad, Schulerweiterung, Mehrzweckhalle, Altenheim, Förderung der Fasanerie usw).

Bürgerinitiative: Eigenständigkeit erhalten

Dagegen schlossen sich andere Klein-Auheimer (mehrheitlich CDU) zu einer Bürgerinitiative zusammen, die die Eigenständigkeit auf jeden Fall erhalten wollte mit dem Hauptargument der noch guten wirtschaftlichen Lage des Ortes.

Ab diesem Zeitpunkt gab es Zoff im Dorf, mit zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen.”

>> Fortsetzung im Teil 2: Sachbeschädigung und indirekte Morddrohung

Mit meinen Augen gesehen
Irgendwie kommt einem die Situation bekannt vor, man denke heutzutage nur an die “Auheimer Brücke”.
Schon 1947 war absehbar, dass in Sachen “Eingemeindung und Zusammenschluss” einiges in Bewegung gerät. Kurzes Aufbegehren, danach 20 Jahre Winterschlaf. Offenbar haben die Verantwortlichen (und nicht nur die) zwei Jahrzehnte lang gehofft, dass der “Kelch eines Zusammenschlusses” an ihnen vorüber geht.
Und plötzlich war das sprichwörtliche Kind in den Brunnen gefallen.
Der Landtag beschließt einfach mal, dass Klein-Auheim und Steinheim von Hanau geschluckt werden, die beachtliche Wirtschaftlichkeit Klein-Auheims interessierte in Wiesbaden niemanden.
Und so blieb es bei Reaktionen, die heute im Netz mit extremem (meist anonymem) Shitstorm enden, damals mit Sachbeschädigungen und Morddrohungen. Nicht nur Anfang der 70er übrigens… (beko)

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