Nach der Bürgerversammlung am 8. November 1973 und den tätlichen und verbalen Angriffen im Dorf begann die Bürgerinitiative „Bürger kämpfen für ihre Gemeinde“ verstärkt, Unterschriften zu sammeln, um sie der Landesregierung in Wiesbaden zu übergeben.
Inzwischen stieg der Druck auf Kommunalpolitiker, die eine Verhandlungslösung befürwortet hatten. Am 29. November 1973 tagte der Gemeinderat und hob den Beschluss über Verhandlungen mit der Stadt Hanau auf. Zwei SPD-Vertreter (gebürtige Klein-Auheimer) stimmten mit der CDU-Opposition folgendem Beschluss zu: „Die Gemeindevertretung unterstützt vollinhaltlich die Resolution und die Argumentation der Bürgerinitiative zur Erhaltung der Selbständigkeit der Gemeinde Klein-Auheim.“
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bürgerinitiative 3.240 Unterschriften für ihre Resolution erhalten. Das war eine satte Mehrheit von 73% der Klein-Auheimer Wahlberechtigten. Damit wollte man nun nach Wiesbaden ziehen und die Landesregierung zum Einlenken bringen.
Es wurde ein Bus gechartert und eine Delegation zusammengestellt.
Am 12. Dezember ging die Fahrt nach Wiesbaden zum Innenministerium los. Sie wurden tatsächlich dort empfangen vom Vorsitzenden des Ausschusses für Verwaltungsreform, Gerhard Sprenger.
Er hörte sich die Argumente der Klein-Auheimer an und nahm die Listen mit den 3.240 Unterschriften entgegen.
Damit waren sie entlassen und fuhren wieder zurück. Wie sich später herausstellte, waren Aktion und Unterschriften wirkungslos.
Letztlich wurden die Verhandlungen über Vergünstigungen beim Anschluss an Hanau abgebrochen und Klein-Auheim wurde am 1. Juli 1974 ein Stadtteil von Hanau.
Ingrid Ehmes und das besondere Nachspiel 50 Jahre später
Für Klein-Auheim gab es aber noch ein Nachspiel, das 50 Jahre später sichtbar geworden ist: Ein Mitglied des Gemeindeparlamentes war in diesen turbulenten Zeiten die 36-jährige Ingrid Ehmes.
Sie war als CDU-Mitglied genauso gegen eine Eingemeindung wie die Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinitiative. Von den Verhandlungen der SPD über Zugeständnisse von Hanau bei einer Eingemeindung hielt sie auch nicht viel.
Vielleicht hat ihr aber schon damals die Forderung eines Altenheimes gefallen.
Jedenfalls begleitete diese Idee ihre folgende Zeit in der Kommunalpolitik bis hin zur Ortsvorsteherin und darüber hinaus.
Nach 50 Jahren ist die Forderung nach einem Altenheim offenbar in Erfüllung gegangen. Das “Haus Raphael” wird derzeit im Mühlfeld, seinerzeit noch das Gelände der Firma “Gummi Peter” und Anfang kommenden Jahres soll es fertig sein.
>> Einen ergänzenden Bericht hängen wir diesem dritten und letzten Teil von Detlef Hellmann vom Heimat- und Geschichtsverein an: Wir haben ihn aus dem privaten Archiv ausgekramt. Geschrieben hat die eindrucksvollen Zeilen im Februar anno 2020 unsere Mitarbeiterin Elena Wolf aus Klein-Auheim.
Hanau/Klein-Auheim oder Offenbach/Klein-Auheim?
“Wenn Sie diesen Artikel lesen, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass sie entweder in Hanau/Steinheim oder Hanau/Klein-Auheim wohnhaft sind. Selbstverständlich. Ein Ortsteil namens „Offenbach/Klein-Auheim“ klänge an dieser Stelle völlig frei erfunden und schlichtweg „falsch“: Doch reisen Sie gedanklich einmal zurück in die Vergangenheit, dann werden Sie sich, natürlich abhängig von Ihrem Alter, wahrscheinlich noch daran erinnern können, dass die Zugehörigkeit Klein-Auheims zu Hanau nicht immer eine Selbstverständlichkeit war und unser kleiner beschaulicher Stadtteil einmal sehr wohl Offenbach zugehörig war, nämlich zwischen 1832 und 1973.
„1973 – singing here we go again“, eine Zeile aus einem bekannten Lied des Sängers James Blunt, das Ihnen nun vielleicht durch die Ohren schallt. Zwar erst Jahrzehnte später veröffentlicht, und doch veranschaulicht es das Jahr und die damalige Situation der Gemeinde Klein-Auheim absolut treffend. „Here we go again“, dürften sich die Bürger, das Gemeindeparlament und jegliche Beteiligte im Jahr 1973 auch gedacht haben, als die Frage einer Eingliederung Klein-Auheims nach Hanau aufkam und deren endgültige Entscheidung fast wöchentliche Bürgerversammlungen, Gemeinderatssitzungen und wochenlange Proteste auslöste.
“Wachstum in Selbstständigkeit besser ausweiten als in Abhängigkeit”
Heute kaum vorstellbar, doch zur damaligen Zeit betrachtete ein Großteil der Bürger eine Eingliederung nach Hanau als „angrenzende Vergewaltigung“, wie Walter Schmitt (1918 bis 2007), Landrat des Kreises Offenbach von 1964 bis 1982, es damals zu Wort brachte, und man sah „jegliche Arbeit der letzten Jahren zunichte gemacht, sie sei dann umsonst“.
Nicht nur die Frage nach der Selbstständigkeit Klein-Auheims im Kreis Offenbach, sondern auch die Frage nach einem Zusammenschluss Steinheims mit Klein-Auheim sorgte unter den Bürgern beider Stadtteile für Aufruhr: So könne Steinheim laut Walter Schmitt sein „Wachstum in Selbstständigkeit besser ausweiten als in Abhängigkeit“, und für Klein-Auheim sei es „das Schlechteste, was passieren könnte, weil uns mit dieser Kommune nichts verbindet, außer dem Müllabfuhrzweckverband.“, so Klein-Auheims damaliger Bürgermeister Willi Rehbein.
Nach dem Beschluss zur Bildung einer Delegation, die mit der Stadt Hanau Verhandlungen zum Zwecke einer freiwilligen Eingemeindung Klein-Auheims an Hanau aufnehmen sollte, gründeten die Klein-Auheimer Bürger eine Bürgerinitiative, die die Selbstständigkeit Klein-Auheims verteidigte, Unterschriften sammelte und letztlich 3.240 Unterschriften für eine Selbstständigkeit Klein-Auheims im Kreis Offenbach einholten.
„Sieg der Vernunft“, so bezeichnete ein ehemaliger Journalist die endgültige Entscheidung des Gemeindeparlaments von Klein-Auheim, keine Verhandlungen der Stadt Hanau auf Basis einer freiwilligen Eingliederung zu führen. Bis hin zu diesem, vorerst endgültigen Beschluss Ende November 1973, bedurfte es „unermüdlicher Aktivität der Bürgerinitiative, Bürgerversammlungen, Gemeinderatssitzungen und die Einsicht zweier Gemeindevertreter der SPD, die sich zuletzt von den Argumenten der Bürger und der CDU-Fraktion überzeugen ließen.“
SPD im Gemeindeparlament erlitt damals die wohl größte Niederlage
Die SPD, die die besagte Eingliederung mit ihrer Mehrzahl an Stimmen im Gemeindeparlament beantragt hatte, erlitt mit diesem Beschluss wohl ihre größte Niederlage: „Ein Sieg der Vernunft, dessen großer Verlierer die Mehrheitsfraktion im Gemeindeparlament, die SPD, ist.“, fasste der Journalist den Ausgang dieses Prozesses im Jahr 1973 zusammen.
Doch: Am 1. Juli 1974 wurde Klein-Auheim – wie auch das benachbarte Steinheim, beide ehemals Landkreis Offenbach – im Rahmen der Gebietsreform in Hessen Kraft Landesgesetz in die Stadt Hanau eingegliedert.”
Dass die Eingemeindung nach Hanau trotz Protest der Klein-Auheimer und Beschluss des Gemeindeparlaments letztendlich doch vollzogen wurde, ist meiner Meinung nach hauptsächlich der guten SPD-Vernetzung zur damaligen Landesregierung zu verdanken.
SPD-Bürgermeister Rehbein kam aus Hanau – Klein-Auheim hatte anscheinend keinen Klein-Auheimer mehr für das Amt gefunden – der zuständige Landrat Woytal von der SPD wollte Hanau um jeden Preis kreisfrei machen (hatte einem SPD-Mitglied sogar schon einen Direktorposten für ein neu zu errichtendes Krankenhaus in Hochstadt versprochen) und ist letztendlich nur an der erfolglosen Eingemeindung von Großkrotzenburg gescheitert. Dass dann das schon vorher fast schuldenfreie Klein-Auheim noch seine Stadtwerke nach Offenbach verkauft hat (sie wurden später von Hanau für teures Geld zurückgekauft!), um schuldenfrei in Hanau gut dazustehen, war in meinen Augen ein großer Fehler.
Das damals auch eingemeindete Mittelbuchen hat seinerzeit vertraglich noch einiges für seinen Stadtteil erreichen können, in Klein-Auheim wurde darauf verzichtet.
Die Absprachen mit Hanau zur Eingemeindung waren ja schon viel früher gelaufen und die Bürgerinitiative konnte gar nicht mehr viel bewirken.
Für mich als zwei Jahre vorher zugezogene, neue Klein-Auheimerin war es allerdings schwer verständlich, dass sich Klein-Auheim und Steinheim nicht beizeiten auf einen möglichen Zusammenschluss – so wie in Hainstadt und Klein-Krotzenburg – einigen konnten. Dass eine Gebietsreform erfolgen sollte, war ja schon lange vorher bekannt.
Da waren wohl immer noch die alten Feindseligkeiten (Steinheimer Raubritter gegen Klein-Auheimer Knerrn) mit im Spiel.
Die Trennung zu Hanau war durch den Main bestens gegeben, frühere Landesgrenzen
(Hessen-Darmstadt – Preußen), die schon damals Großauheim und Klein-Auheim getrennt hatten, aber damit auch verbundene kirchliche Grenzen bestanden weiterhin: in Hanau evangelische Landeskirche, in Klein-Auheim und Steinheim katholisches Bistum Mainz.
Ein Verbleib im Kreis Offenbach, der ja noch heute bis Seligenstadt reicht, hätte einer selbständigen Gemeinde Stein-Auheim o.ä sicher mehr Vorteile gebracht, als das heute für Klein-Auheim (als für Hanau fast unwichtigsten Stadtteil) der Fall ist.