Samstag, 27. April 2024
's BlättscheGeschichte"Ei" - und der Saal tobt

“Ei” – und der Saal tobt

Fastnachts-Urgestein Seppl Petermann stirbt im Alter von 93 Jahren

Die meisten hierzulande – vor allem jene, die sich für die närrische Zeit interessieren – kennen ihn als “Ei”, seine ersten fastnachtlichen Schritte in den 50er-Jahren ging er als “Ötzebömmel” in die Bütt des Engel-Saals, er war Chef des Männergesangvereins Liederzweig und in Steinheim – wie man so schön sagt – bekannt “wie ein bunter Hund”: Josef “Seppl” Petermann (93) ist tot, Steinheim und Klein-Auheim trauert.

Die Staanemer und Klanaamer müssen sich von einem Urfastnachter verabschieden, der es wie kaum ein anderer verstand, lediglich mit seinem Erscheinen in der Bütt und zwei Buchstaben einen Saal mit hunderten Narren in Ekstase zu versetzen. Doch vor seinem weit über Steinheims Grenzen hinaus bekannten Einleitungsgruß “Ei” sollten andere Autritte kommen.

Bereits in den 50er Jahren setzte er in Vereinen, vor allem in seinem eigenen Männergesangverein Liederzweig Zeichen, und das nicht nur zur Fastnachtszeit. Mit seinem langjährigen Pressesprecher Gerhard Böhn rückte er den Verein in den damaligen Medien immer wieder in den Blickpunkt.

So war es auch nicht verwunderlich, wenn schon in den 60er Jahren über Seppl Petermann berichtet wurde. Beispielsweise im Februar 1968 anlässlich einer großen Fastnachtssitzung im Engel-Saal in Steinheim, wo vom “Ötzebömmel” die Rede ist.

Richtig gelesen: In einem Bericht 1968 heißt es – “… es folgte der Ötzebömmel, Jupp Petermann, wie ihn jeder aus der Fastnachtszeit kennt. Grandios, dieser Ötzebömmel. Das Zwerchfell wurde wieder gehörig strapaziert.”

Schnell wurde aus dem Ötzebömmel – offenbar weil Sprache sich damals schon veränderte – der “Ezzebemmel” und seit 1994 kennt man ihn als “Ei”. Warum Ei? Weil der gebürtige Egerländer sich sagte: “Die Hessen sagen “Ei, guude wie” – korz: Ei!”

Im geringelten Hemd bahnte er sich in den Fastnachts-Narrensälen der Region den Weg vom Eingang hin zur Bütt und schon bald ging ein Raunen durchs Publikum. An der Bütt angekommen blieb er lediglich regungslos stehen und der Saal stand bereits Kopf in Erwartung jener zwei Buchstaben.

Aber nicht nur in den Narrenburgen traf man “es Ei”, auch das Fernsehen mit “Hessen lacht zur Fassenacht” entdeckte den Staanemer Seppl Petermann, der mit geistreichen Wort- und Satzspielen das Narrenvolk verzauberte. 33 Jahre lang galt er als “Ezzebemmel”, vom Ende der neunziger Jahre an präsentierte er Themenvorträge und hatte an Fastnacht seinen Terminkalender randvoll, wovon Hannelore ein Lied singen konnte, immer ihren Ehegatten tatkräftig unterstützend.

Schnell wechselte er jeweils zwischen Klein-Auheim beim Carnevalverein (CV) hin zum Carneval-Club Schwarz-Weiß (CCSW) nach Steinheim, damit sowohl die Auheimer als auch die Staanemer Narren zu ihrem Recht kamen. Die Zugaben nach seinen Vorträgen musste er gewissenhaft mit einplanen, manchmal musste auch schon mal ein Programmpunkt verschoben werden, wenn de Seppl noch nicht angekommen war.

Das Urgestein der regionalen Fastnacht wurde natürlich Ehrenmitglied beim CV und beim CCSW, bekam den Hanauer Stadtorden, den “Seppl-Orden” zum 75. im Jahr 2005, die Jahreskappe des CCSW und trat eigentlich 2015 als 85-Jähriger das letzte Mal öffentlich auf. Eigentlich!

Ja, eigentlich! Hätten die Verantwortlichen des CCSW nicht diese phänomenale Jubiläums-Sitzung am 31. Januar 2018 gehabt. Klar, dass Seppl es sich nicht nehmen ließ, gesundheitlich zwar angeschlagen, aber dennoch in Wort und Satz in geistiger Frische in der Bütt zu stehen. Die Bretter, die seine Welt bedeuteten, zumindest in der närrischen Zeit.

Kaum ein anderer hat die Fastnacht in Staanem mehr symbolisiert wie Seppl Petermann, unterstützt natürlich immer vom langjährigen “Macher” Hans Franz, von Rainer Herbert und Hans Diwisch vor den Bühnenbildern von Gernot Pförtner und vielen anderen, die im Hintergrund wirkten und die närrische Zeit über Jahrzehnte mit Sinnhaftigkeit füllten.

In diesem Sinne ein “mach’s gut, Seppl” und mögest Du lange den Menschen hierzulande mit deinen Wortspielen in Erinnerung bleiben. Als Dank noch ein paar wenige Bilder von Deinen Auftritten.

Requiem mit Verabschiedung

>> Das Requiem mit Verabschiedung des am 16. Oktober Verstorbenen ist am Mittwoch, 25. Oktober, um 13 Uhr in der St. Nikolauskirche Steinheim, Kirchstraße 20. Die Urnenbeisetzung findet zu einem späteren Zeitpunkt im engsten Familienkreis statt.

>> Nachruf des Carneval-Club Schwarz-Weiß (CCSW): Tschüss „Ezzebemmel“.

Der Carneval-Club Schwarz-Weiß (CCSW) nimmt mit tiefer Trauer Abschied von seinem Ehrenmitglied, Jahreskappen- und Stadtordenträger Josef Petermann.
Josef „Seppl“ Petermann trat 1960 in den CCSW ein und ein Jahr später in die Bütt – von der er sich erst vor wenigen Jahren mit einer Träne im Knopfloch verabschiedete.

Das sind fast sechs Jahrzehnte unvergleichliche Wortspielereien und Verdrehungen über die wahren Tatsachen im Leben, denen wir uns zu stellen haben.

Immer wieder fiel ihm noch was Neues ein, jeder Vortrag ein Knaller, gedankt vom Publikum mit Standing Ovations.

1990 wurde er CCSW-Ehrenmitglied, 1992 bekam er den Hanauer Stadtorden verliehen und seit dem Jahr 2000 ist er schwarz-weißer Jahreskappen-Träger.
Die Bezeichnung „Ezzebemmel“ hat er sich selbst gegeben, den meisten war er ein Begriff mit dem Ausspruch „Ei“, so alljährlich der Start seiner Büttenrede in ein Feuerwerk der guten Laune.

Es bleiben Dankbarkeit und kostbare Erinnerungen an seine unvergleichliche persönliche Art des Formulierens und Vortragens, an seine Worterfindungen und -verdrehungen, gepaart mit Witz und Ironie. Unsere Gedanken und unsere Anteilnahme für diesen schmerzlichen Verlust sind nun bei seiner Gattin und der ganzen Familie.”

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2 Kommentare

  1. Er war ein Staanemer Orginal. Ich werde ihn nie vergessen. Er war ein Heimatvertrieber Siedler, Nachbar und jahrzehntelanger guter Arbeitskollege. Tschüss Seppl

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