Im ersten Teil der Geschichte vom Widerstand gegen die Eingemeindung nach Hanau wurde deutlich, dass eigentlich jeder Widerstand zwecklos war, weil das Land die Gebietsreform unbedingt durchsetzen wollte.
Die eine Gruppe (um Bürgermeister Willi Rehbein) in Klein-Auheim wollte sich ergeben, aber in Verhandlungen Investitionen herausholen. Die andere Gruppe (eine Bürgerinitiative) war strikt gegen jede Vereinigung und berief sich vor allem auf die wirtschaftliche Stärke des Ortes.
Am Donnerstag, 8. November 1973, kam es dann zu jener legendären Versammlung in der TSV-Halle, zu der die Bürgerinitiative eingeladen hatte. Nach der örtlichen Presse kamen 1.200 Menschen zusammen, nach einer anderen Pressemitteilung sogar 1.500.
Es ging sehr hoch her mit Reden, Diskussionen und Geschrei.
Mehrheitlich wurde die Meinung vertreten, dass Klein-Auheim selbständig bleiben müsse.
Wenn es dennoch zur Eingemeindung nach Hanau käme, dann wäre das auf jeden Fall besser, als mit Steinheim zu fusionieren.
Die Versammlung endete mit der Aussicht, dass man noch bis Dezember seine Ansichten in Wiesbaden im Anhörungsverfahren deutlich machen könne. Bis dahin sollten sich in die gestartete Unterschriftenaktion noch viele eintragen.
Brigitte Bös, geborene Rehbein, schildert den Abend, als ihr Vater von der Versammlung heimkam: „Ja und dann kam es zu der besagten Sitzung, zu der die Gegner der Eingemeindung in die Turnhalle aufgerufen hatten. Da waren auch frühere Freunde von meinen Eltern dabei, zum Beispiel der Herr Schiron war da an vorderster Front. Das waren ganz dicke Freunde von meinen Eltern und diese Freundschaften sind durch die Auseinandersetzungen kaputt gegangen. Meine Mutter und ich saßen zu Hause und hatten ein mulmiges Gefühl.
Und irgendwann kam dann mein Vater heim. Er war völlig aufgelöst, es hatte ihn emotional sehr mitgenommen. Wir hatten schon Angst, dass er noch mal einen Herzinfarkt kriegt, weil er wirklich total aufgelöst war. Und am nächsten Morgen ist meine Mutter raus und da war das Hoftor rausgerissen, Blumen abgeknickt und Bäume umgerissen. Das war dann schon sehr bedrohlich, weil wir ja nicht wussten, wie es weiter geht. Wir haben Angst gehabt, dass einer von uns tätlich angegriffen wird. Tatsächlich gab es auch Drohbriefe gegen meinen Vater.
Deshalb durfte ich ab sofort als 15-jährige nicht mehr alleine durch den Ort gehen. Das war für mich natürlich ganz schlimm, weil ich nirgends mehr alleine hindurfte, auch nicht abends zur Gymnastik in die TSV-Halle. Ich wurde dann jedes Mal abgeholt oder hingebracht, wenn es dunkel war. Zum Reiten in den Reitstall wurde ich von meiner Mutter mit dem Fahrrad abgeholt, weil meine Mutter keinen Führerschein hatte oder von meinem Vater mit dem Auto.
Dann wurde ich auch öfter mal angesprochen, in dem Sinne „Naja was dein Vater so will…“
Das war dann für mich auch schlimm, weil ich ja nichts damit zu tun hatte, es hat mich in meinem Alter natürlich überhaupt nicht interessiert.“
Heute hätte es zu diesem Thema einen Shitstorm im Internet gegeben mit wüsten Beschimpfungen und Morddrohungen. Das war natürlich 1973 in Klein-Auheim undenkbar – sollte man meinen.
Gisbert Schließmann, der damals im Gemeindevorstand war, erzählt von seinem persönlichen Nachspiel. Er fand kurz darauf in seinem Briefkasten eine Postkarte. Auf dieser stand geschrieben: „Wenn dein Papa noch leben würde, dann würde er dich mit dem Hackebeil klein machen.“ Man bedenke, dass sein Vater Metzgermeister gewesen war.”
>> Die Bürgerinitiative fühlte sich nach der Versammlung bestärkt und rief zum Sturm auf Wiesbaden auf, über den Detlef Hellmann im dritten Teil berichtet.