Sie ist noch tief beeindruckt von jenem historischen Erlebnis und kann ihre Gefühle kaum beschreiben. Bea ist Erzieherin in der Kita St. Wendelinus Zellhausen und sie wird ihrer „Feldmaus-Gruppe“ und den Kolleginnen zuhause einiges zu berichten haben, wenn sie wieder zur Arbeit kommt. Denn sie hat am Montag einen besonderen 26. Geburtstag gefeiert – an einem ungewohnten Ort für den sie sich spontan entschied, nachdem der Tod von Queen Elizabeth II. bekannt wurde und der Beerdigungstermin feststand.
Schnell ist für die Aschaffenburgerin klar: „Flug buchen, ich muss dabei sein!”
Die spontane Motivation hat ihren Ursprung im Jahre 2015. Vor sieben Jahren lebte Bea für einige Zeit in London und arbeitete als Au Pair in einer Gastfamilie, um auch die Sprache und Kultur Großbritanniens kennenzulernen. Schon damals machte die englische Queen Eindruck auf sie: “Ich habe 2015 durch meine Arbeit in England auch eine Beziehung zum Königshaus aufgebaut. Die Queen war auch für mich eine sehr inspirierende Frau.”
Als die Nachricht vom Tod der englischen Königin kommt, ist für Bea klar, dass sie nach London fliegen will. Einen Tag Urlaub nehmen und am Sonntag früh sitzt sie im Flugzeug nach London. Bea: „Ich bin alleine gereist ohne Bekannte, aber die Engländer lassen einen nicht alleine, das war mir schon vorher klar.”
“Ich war noch keine fünf Minuten in The Mall, der Straße zum Buckingham-Palace, und habe direkt Bekanntschaften gemacht. Sitze hier mit sechs Leuten und keiner kannte die anderen vorher. Aber wir haben total viel Freude, wenn man das an diesem denkwürdigen Tag so sagen darf.”
Um 20 Uhr am Sonntagabend dann eine Schweigeminute – für Bea und ihre neuen Bekannten ein erster “magischer Moment”.
Bea gegenüber unserer Zeitung: “Ich hatte totale Gänsehaut, man hätte trotz der Menschenmenge eine Stecknadel fallen hören.”
Die Engländer sind sehr stolz auf ihre Queen und ihnen ist es besonders wichtig, sie auf ihrer letzten Reise zu begleiten.
An den bedeutenden Punkten, wie dem Blumenmeer im Greenpark, merkt man trotz zehntausender Touristen schon, wie nachdenklich die Menschen werden und dass es an diesen Stellen ruhiger ist.
Auch in „The Mall“ unmittelbar vor dem Buckingham Palast, wo Bea steht, sind alle sehr aufgeregt und keinen interessiert es, dass es noch mehr als 15 Stunden Wartezeit sind, keiner beschwert sich, keiner meckert, alle sind total höflich und helfen einander.
„Ich habe mich als Teil der Gemeinschaft gefühlt. Es war traurig und schön zugleich für mich, ich habe gezittert als der Sarg mit der Queen vorbei kam.“
Meine Erwartungen an den Tag wurden allesamt übertroffen. Bea: „So ein emotionales und historisches Ereignis. Es war eine Ehre für mich, dort zu sein.“
Mit mehr oder eher weniger Schlaf verbrachte die Erzieherin die Nacht am Straßenrand, am Morgen stieg der Puls
Der Gottesdienst wird per Lautsprecher übertragen. Fünf vor elf noch Unterhaltungen und von überall Geräusche. Punkt elf Uhr Ortszeit, der Gottesdienst beginnt. Die Stimmung verändert sich schlagartig. „Niemand redet mehr, alle kommen zur Ruhe, es war friedlich und andächtig. Ich habe Gänsehaut und die Spitze meiner Emotionen erreiche ich beim Singen der Nationalhymne „God Save the King“. Mir kommen die Tränen. Es ist ein Moment, den man kaum beschreiben kann.“, berichtet Bea.
Die 26-Jährige ist überwältigt, an ihren Geburtstag denkt sie nicht mehr: „100.000 Menschen singen gemeinsam das Lied, auch wenn es mitunter ein Mix aus King und Queen ist. Es ist unbeschreiblich. Dann zwei Schweigeminuten, auch keine Flugzeuge am Himmel, um die Andacht nicht zu stören. Phänomenal, wie strukturiert und minuziös alles geplant ist. Die Prozession beginnt, aber es dauert eine gute halbe Stunde, bis der Block mit dem Sarg der Queen, gezogen von der Marine, gefolgt von der Royal Family bei uns zu sehen ist. Ich wollte der Queen noch einmal die letzte Ehre erweisen und dies ist mir gelungen. Es war überwältigend ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein und gemeinsam mit dem Volk Abschied zu nehmen.“
Jetzt schnell auf den Weg machen, das Flugzeug startet um halb acht schon, heute ist schon wieder Alltag. Aber das historische Erlebnis am 26. Geburtstag wird noch viele Jahre weiterwirken.
> Weitere Fotos im Erstartikel “Die Engländer lassen einen nicht alleine” hier.